Ich mag alte Kirchen.
Die Großen, Schönen, Touristenüberfüllten.
Aber noch mehr die Kleinen, Unscheinbaren, abseits Gelegenen.
Besonders wohltuend empfinde ich den Moment, wenn man an einem heißen Urlaubstag nach Sightseeing oder einer Bergwanderung ein solches Gebäude betritt, und eingehüllt wird von der Kühle der alten Gemäuer und der Andächtigkeit des Gotteshauses.
Interessanterweise haben wir letzten Sommer eher zufällig entdeckt, dass unsere zwei Kleinen auch eine Vorliebe für alte Kirchen haben.
Bei einem Ausflug in ein nah gelegenes Städtchen betraten sie wie selbstverständlich ganz andächtig das Gotteshaus und hielten sich den Zeigefinger vor die Lippen, um anzuzeigen, dass wir jetzt ganz leise sein müssen. Ich war sehr erstaunt über ihre Disziplin und Ausdauer. Etwa 20 Minuten verbrachten wir in dem Gebäude, schauten uns die großen Deckengemälde und Bilder an, und unterhielten uns im Flüsterton darüber, was da zu sehen war. Dann bestaunten wir den Altarraum und gingen an Jesu Kreuz vorbei. Nach einem kurzen Spaziergang durch das Städtchen wollten wir eine Eisdiele aufsuchen, aber die Kinder wollten tatsächlich stattdessen lieber nochmal in die Kirche!!! (Ich würde das ja jetzt gerne auf meine gute Erziehung zurückführen, aber bei aller gedanklichen Anstrengung: ich wüsste nicht wie…). Also verbrachten wir nochmal eine Viertelstunde in der Kirche (in die Eisdiele wollte ICH hinterher trotzdem 😉 ).
Wieder im Alltag fragte mich meine Tochter einmal, ob wir auf dem Rückweg vom Kindergarten in die Kirche bei uns im Ort gehen könnten.
Wir taten es!
Und seitdem tun wir das öfter.
Andächtig betreten wir das Gotteshaus. Dann gehen wir Drei in der menschenleeren Kirche immer ganz nach vorne, setzen uns in die erste Reihe und unterhalten und leise über die Bilder und Statuen. Inzwischen erklären mir schon die Kinder, was sie alles erkennen können. Dann sitzen wir da und sind einfach still! Manchmal singen wir auch ein Lied oder beten. Anfangs war es irgendwie komisch, aber inzwischen genieße ich unsere gelegentlichen Kurzbesuche in der Kirche. Und ich nutze sie für ein kurzes Gespräch mit Gott.
Bei einem unserer Besuche schauten wir uns Jesus am Kreuz intensiver an. Zunächst musste ich inhaltlich klarstellen, dass Jesus – wie meine Tochter vermutete – keine Vogelkacke in den Händen hat (das war neulich ein einschneidendes Erlebnis meiner Tochter; ich habe keine Ahnung wie das Zeug auf ihre Hand kam, aber ich weiß, WER es wieder wegmachen musste…). Nachdem ich also erklärt hatte, dass es sich in den Händen Jesu um Nägel handelt, beeilte ich mich zu sagen, dass man so etwas nicht machen darf, weil das ganz schlimm wehtut (um einer neuen „Spielidee“ für den Nachmittag gleich einen Riegel vorzuschieben!). Und dann erklärte ich meinen Kindern, warum Jesus „Aua“ hat. Er ist gestorben, weil wir Menschen nicht immer alles richtig machen, z.B. wenn wir rumschreien, oder kratzen, oder beißen, oder unsere Spielsachen nicht teilen wollen (ich weiß, das ist nur bei uns so, gell?).
Und damit Gott uns nicht bestrafen muss, ist Jesus gestorben.
Gott hat ihn bestraft für die schlimmen Dinge, die wir tun.
Jetzt können wir zu Gott kommen wie zu einem Papa.
Meine Tochter hörte mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen zu, und ich freute mich über den Moment, in dem ich ihr mitten im Alltag den Kern des christlichen Glaubens erklären konnte. Auf einmal holte sie aus ihrer Jackentasche einen Bilderstreifen heraus, den sie aus einem Überraschungs-Ei hatte, und mitten in den wichtigen, „hochtheologischen“ Moment sagte sie: „Ich schau mir jetzt hier die Bilder an. Okay, Mama?“ Der Gegensatz hätte nicht größer sein können – Heiliges und Profanes so nah beieinander. Ich musste herzhaft lachen über diese kindliche Unbekümmertheit, und ich glaube, da lachte jemand mit. Zumindest hatte ich den Eindruck, als ich auf das Kreuz schaute.
Die Natürlichkeit, mit der mein Kind Heiliges und Profanes zusammenbrachte – ich glaube, davon könnte ich in meinem Alltag auch mehr gebrauchen. Denn dann werden vielleicht viele un-heilig scheinende Momente plötzlich sehr heilig und bedeutsam.
„Werdet wie die Kinder, denn ihrer ist das Himmelreich.“
Wie gut, dass ich diese wichtige, „hochtheologische“ Lektion lernen durfte, mitten im Alltag in der fast menschenleeren Kirche.
Antschana meint
So schön, Luisa!! Bei der Stelle mit der ‚Spielidee‘ musste ich so lachen! Da muss man wirklich aufpassen bei kleinen Kindern… 😉
Wir hatten letztens einen ähnlich un-heiligen Augenblick als wir mit den Kindern abends am Tisch noch in der Bibel gelesen und gebetet haben. Eigentlich hatte ich mir gewünscht, dass wir noch ganz ‚heilig‘ miteinander beten, aber die Kinder haben überhaupt nicht ‚richtig‘ mitgemacht. 😉 Ich war in dem Moment echt genervt, ich wollte doch, dass sich meine Kinder in Gottes Gegenwart ‚anständig‘ benehmen und Ihm irgendwie Respekt erweisen. Wenigstens ordentlich zuhören, wenn ich schon aus der Bibel vorlese…
Und in dem Moment war mir, als würde Jesus neben mir am Tisch sitzen und zu mir sagen:
„Das macht mir garnichts aus.“
Er war einfach da und hat es genossen… die chaotische Gemeinschaft meiner Familie.
Und für ihn war es nicht schlimm, dass die Kinder während dem Bibelvorlesen einen Rülpswettbewerb veranstalten wollten und einfach so garnicht ‚andächtig‘ waren.
Jesus hat soviel mehr Geduld und Humor als ich! Dafür bin ich ehrlich dankbar. 🙂
luisaseider meint
Rülpswettbewerb … da musste ich jetzt aber lachen 😉
Kinderglaube ist einfach toll!
Meine Mama ist vor 9 Tagen durch eine Unachtsamkeit ganz furchtbar gestürzt und hat sich das ganze Gesicht aufgeschlagen und die Nase gebrochen. Ariella betete am Abend: „Danke, Gott, dass Oma gestürzt ist. Danke, dass sie sich die Nase gebrochen hat.“ … Aber das Verrückte: Nach nur einer Woche sieht man ihr trotz immer noch gebrochener Nase so gut wie NICHTS mehr an im Gesicht, und das, obwohl sie schon sehr entstellt aussah nach dem Sturz. Selbst die Ärztin konnte die schnelle Heilung nicht glauben!
Ob das wohl mit dem Dank-Gebet zusammenhängt?