Ich wünsche mir zufriedene Kinder. Sehr sogar. Wenn meine Kinder glücklich sind, bin ich es ebenfalls. Schmeckt ihnen mein gekochtes Mittagessen, hebt das meine Stimmung. Wie sehr ich mir zufriedene Kinder wünsche, wird mir vor allem in jenen Momenten bewusst, in denen sie unzufrieden sind. Unzufrieden, weil ich ihnen wieder einmal einen Wunsch abschlage: „Nein, wir essen jetzt nicht noch einen Muffin!“. Unzufrieden, weil das Geschwisterkind immer genau das Stofftier wegnimmt, mit dem man gerade spielt. In diesen Momenten sinkt meine eigene Stimmung mit der meiner Kinder. Dies führt nicht selten dazu, dass ich genervt reagiere oder lauter werde. Habe ich kurz vorher noch angenommen, ich sei eine gute Mutter, bin ich plötzlich fest vom Gegenteil überzeugt: Es gelingt mir offensichtlich nicht, glückliche Kinder aufzuziehen. Und was noch hinzukommt: Sie sind nicht nur unglücklich, ich selbst bin auch nicht die Mutter, die ich gerne wäre. Ich habe versagt!
Achterbahnfahrt der Muttergefühle
Vielleicht geht es dir ähnlich wie mir und auch du erlebst diese Achterbahnfahrt der Muttergefühle. Vielleicht sogar mehrfach am Tag. War meine „Leistung“ als Mutter vorbildlich, geht die Fahrt steil gen Himmel. Habe ich in meiner Rolle versagt, fährt die Achterbahn rasend schnell nach unten. Ein Beispiel: Die Kinder spielen friedlich miteinander (Top!). Plötzlich streiten sie sich um ein Spielzeug und finden alleine keinen Kompromiss (Flop!). Wir verbringen einen tollen Nachmittag im Zoo. (Top!) Die Kinder mögen mein Mittagessen nicht (Flop!).
Manchmal liege ich abends im Bett und lasse den Tag vor meinem inneren Auge Revue passieren: Wie war meine Leistung als Mutter heute? Hatte meine Achterbahnfahrt mehr Höhen oder mehr Tiefen? War es ein „guter“ Tag, schlafe ich zufrieden ein. War der Tag jedoch eine einzige Katastrophe, die Kinder permanent unzufrieden und ich selbst genervt und ungeduldig, möchte ich ihn am liebsten vergessen. Aus meiner Erinnerung streichen: Ich bin wirklich eine schlechte Mutter! Oh Mann!
Wovon hängt meine Zufriedenheit ab?
Manchmal frage mich in einem solchen Moment, warum meine Stimmung so wenig konstant ist. Ist womöglich mein Erfolg oder Misserfolg als Mama ausschlaggebend für das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen meiner Freude? Und sollte ich zulassen, dass meine „Leistung“ als Mutter über meine Zufriedenheit bestimmt?
Ich habe meinen Kindern schöne Erfahrungen ermöglicht. Wie zufrieden ich mit mir sein kann! Ich bin laut geworden als mein Kind einen Wutanfall hatte. Dass mir sowas immer wieder passiert, ist wirklich schlimm!
All diese Gedanken zeigen letztlich, dass ich meine Identität in meinem Muttersein suche. Wer ich bin, hängt von meinen Taten ab. Aber wird mein Selbstwert wirklich von meinem Versagen bzw. Erfolg als Mutter bestimmt?
Warum dürfen Kinder auch mal unzufrieden sein?
Wenn meine Kinder zufrieden sind, merke ich meist nicht, dass ich meine Zufriedenheit und Identität in meinen scheinbaren „Mutterkompetenzen“ suche. Sind meine Kinder hingegen unzufrieden, liegt hierin eine besondere Chance. Insbesondere an solchen „schlechten“ Tagen redet Gott mit mir. Er spricht mitten hinein in meine Unzufriedenheit. Und erinnert mich daran, dass meine Identität eben nicht von meiner Leistung abhängt. Ich muss nicht verzweifeln, weil ich wieder mal keine „Supermutter“ war.
Am Ende des Tages kommt es eben nicht darauf an, ob unter dem Strich mehr Tops oder Flops stehen. Meine Zufriedenheit muss nicht davon abhängen, wie gut oder schlecht ich meinen Job als Mama gemacht habe.
Eine befreiende Botschaft an uns Mütter
Wenn ich abends im Bett liege und die Kinder und ich nur geradeso überlebt haben, ruft Jesus mir zu: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19,30). Ich habe versagt, aber er hat alles für mich getan. Er hat mein ganzes Versagen auf sich genommen und am Kreuz dafür bezahlt. Mehr noch: Er schenkt uns, die wir ihm vertrauen, seine Gerechtigkeit. Wenn Gott, der Vater, uns ansieht, sieht er nicht länger unsere Ungeduld unseren Kindern gegenüber. Unseren Zorn. Unsere Lieblosigkeit. Alles, was er sieht, ist das perfekte Leben Jesu: „[…] er hat mir Kleider des Heils angezogen, mit dem Mantel der Gerechtigkeit mich bekleidet […]“ (Jesaja 61,10).
Aber diese gute Nachricht gilt auch und gerade für die scheinbar „guten“ Tage. Auch wenn es so aussehen mag, als hätte ich meinen Job als Mutter gut gemacht. Denn an diesen Tagen neige ich dazu, stolz zu werden. Ich vergesse, dass mich meine „gute“ Leistung nicht wertvoller macht in Gottes Augen. Im Gegenteil: Womöglich habe ich vergessen, dass Gott nicht nur meine Taten ansieht, sondern insbesondere auch mein Herz. Ihm geht es um meinen Glauben an das, was er für mich getan hat. Darum, dass ich mich in allen Dingen auf ihn verlasse und eben nicht auf meine eigene Leistung (vgl. Johannes 15,5 und Galater 3,11).
Jerry Bridges formuliert so treffend, dass wir Gottes Gnade sowohl an unseren schlechtesten Tagen brauchen als auch an unseren besten:
„Our worst days are never so bad that you are beyond the reach of God’s grace. And your best days are never so good that you are beyond the need of God’s grace.“ *
Aussteigen ist möglich!
Sind meine Kinder also unzufrieden, werde ich daran erinnert, dass ich aus der Achterbahn aussteigen darf. Aus jener Achterbahn der Muttergefühle, die mich im Laufe des Tages unzählige Male aufwärts oder abwärts befördert. Meine Identität hängt nicht von meiner Leistung als Mutter ab. Wenn Gott mich anschaut, sieht er die Gerechtigkeit Jesu, in die er mich hüllt wie in einen Mantel. Allein aufgrund des Glaubens. Ich darf ohne Schuld vor Gott stehen. Ich bin sein geliebtes Kind. Diese Erkenntnis ermutigt mich in Momenten der Unzufriedenheit. Und sie möchte mich davor bewahren, stolz zu werden, wenn alles gut läuft.
Praktische Anwendung
- Woran misst du deinen „Erfolg“ als Mutter? Ernährung deines Kindes, Medienkonsum, artiges Kind, Anzahl der Wutanfälle, Entwicklungsstand bezogen auf Gleichaltrige, …
- Erinnere dich gemeinsam mit mir daran, dass wir Jesus an jedem Tag brauchen. An unseren schlechtesten wie an unseren besten Tagen. Also genau heute.
*Bridges, Jerry: The Discipline of Grace. God’s role and our role in the pursuit of holiness, 2006
Sandra Klimm meint
Sehr schöner Artikel! Ich bin Mutter von 3 Kindern die jetzt schon fast alle erwachsen sind. Ich habe mir in dem Alter wo sie klein waren auch öfter mal solche Gedanken gemacht. Leider weiß ich nicht mehr in welchem Buch das stand, dieser Satz ging mir nicht aus dem Kopf und stand fortan stellvertretend für sämtliche Situationen, in denen meine Kinder auch mal unzufrieden waren. Da stand in Bezug auf „Haushaltspflichten“ (die ja bekanntlich auch gerne zu den Auslösern langer Gesichter bei unseren jüngeren Mitbewohnern sind) „Hauptsache sie erledigen die Aufgabe, mit welchem Gesicht, das ist ihre Sache!“ Es mag ein belangloser Satz sein, bei mir stieß er das genau an, was du da auch erwähnst. Wenn das Kind mit einem langen Gesicht durch die Weltgeschichte läuft, nagt das besonders an mir und meinen Ansprüchen an „gute Mutterschaft“. Und das ist quatsch. Seid diesem Satz konnte ich besser mit den langen Gesichtern umgehen – nach und nach jedenfalls ;-). Herzliche Grüße aus dem Sommerzimmer, Sandra
natalie@erdperle meint
Liebe Sandra,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich finde es beruhigend, dass scheinbar auch andere Mütter diese Gedanken kennen und sich glückliche Kinder wünschen.
Spannend, dass du diesen Satz bzgl. der Haushaltspflichten gelesen und nach und nach verinnerlichen konntest. 🙂
Kannst du aus deiner Erfahrung mit älteren Kindern berichten, ob diese „Achterbahnfahrt der Muttergefühle“ insbesondere ein Phänomen im Leben von Mamas mit kleinen Kindern ist?
Liebe Grüße, Natalie