Heute möchte ich mit euch eine Kindheitserinnerung teilen.
Dieser Text erschien erstmalig in der Zeitschrift „Lydia“ (Ausgabe 4/2017) und enthält unbeauftragte, unbezahlte Werbung.
Ich kam als ältestes Kind deutschstämmiger Eltern in Kasachstan zur Welt. Zu dieser Zeit gehörte Kasachstan zur Sowjetunion. In diesem damals kommunistisch-atheistisch geprägten Land verbrachte ich meine ersten sieben Lebensjahre. An eine Begebenheit aus dieser Zeit kann ich mich noch recht gut erinnern, obwohl ich erst vier Jahre alt war: Weihnachten 1984.
Die russische Bevölkerung schmückte ihre Tannenbäume erst zu Silvester und nicht am Heiligen Abend. Dass die Deutschen Weihnachten als christliches Fest feierten, versuchte man in jenem Jahr in unserer Gegend dadurch zu verhindern, dass man keine Tannenbäume vor Weihnachten verkaufte. Obwohl die Festbäumchen schon geliefert worden waren, sollte der Verkauf erst wenige Tage vor Silvester beginnen.
Meine Mutter war mehrere Tage auf der Suche nach einem Tannenbaum für unser Weihnachtsfest, konnte aber in der ganzen Stadt keinen kaufen. So bemühte sie sich, mir und meinem zwei Jahre jüngeren Bruder zu erklären, dass Jesus im Mittelpunkt an Weihnachten steht, nicht der Tannenbaum. Das bezweifelten wir Kinder auch nicht, aber einen Tannenbaum wollten wir trotzdem haben!
Im kindlichen Vertrauen auf Gott gingen wir in unser Zimmer, schlossen die Tür hinter uns und sprachen ein einfaches Gebet, in dem wir Jesus dafür dankten, dass er uns einen Tannenbaum schenken würde. Nach dem Gebet erklärten wir unserer Mutter im Brustton der Überzeugung: „Jesus wird uns heute einen Tannenbaum schenken!“, und spielten unbekümmert weiter.
Unsere Mutter hatte das Gebet hinter geschlossener Tür gehört, und unsere kindlich-vertrauensvolle Schlussfolgerung brachte sie ins Schwitzen. Sie wusste, dass es in der ganzen Stadt keine Tannenbäume zu kaufen gab. Das Einzige, was sie auf der Straße finden konnte, war ein Tannenzweig, den sie nach Hause brachte.Diesen erklärte sie nun zu unserem diesjährigen Tannenbaum. Wenn wir den Zweig schön schmückten, wäre er ein guter Ersatz für einen richtigen Weihnachtsbaum, meinte sie.
Wir Kinder schenkten dieser „Weihnachtsbaum-Attrappe“ überhaupt keine Beachtung und verkündeten weiterhin standfest: „Jesus wird uns einen richtigen Tannenbaum schenken.“ Nun gut, dachte meine Mutter, sobald sie schlafen gehen, dekoriere ich den Tannenzweig, und wenn sie erst die Geschenke darunter sehen, werden sie ihn als diesjährigen „Weihnachtsbaum“ akzeptieren.
Der Tag verging ohne große Ereignisse. Es war der 23. Dezember. Am späten Abend, gegen halb zehn, klingelte es unerwartet an unserer Tür. Mein Bruder und ich sprangen aus unseren Betten, in denen wir schon längst hätten schlafen sollen, rannten zur Wohnungstür und riefen: „Da kommt unser Tannenbaum! Jesus schenkt uns einen Tannenbaum!“ Meine Mutter war sichtlich nervös, als sie die Tür öffnete. Sie hatte Angst, dass unser kindliches Gottvertrauen erschüttert werden würde. Vor der Tür stand eine Cousine meines Vaters mit ihrem Ehemann und mit …
(Wer jetzt wissen möchte, wie die Geschichte ausgeht, dem empfehle ich das Buch „Frohe Weihnachten. Geschichten und Gedanken für die schönste Zeit des Jahres, hrsg. von Verena Keil, Gerth Medien, 2018.
Dieses kurzweilige Buch mit Texten verschiedener Autoren enthält u.a. meine Weihnachtsbaum-Geschichte und kostet nur 3,99 Euro. Von daher: Falls ihr noch für jemanden ein passendes Geschenk sucht….. 🙂 )
Und für alle, die das Buch nicht kaufen, hier die Fortsetzung: 😉
…. einem Tannenbaum für uns! Es war zwar ein künstliches Bäumchen, aber es war ein richtiger Tannenbaum, kein Tannenzweig. Was für eine Freude! Trotz fortgeschrittener Zeit durften wir noch wach bleiben, um ihn zusammenzustecken und zu schmücken. Meiner Mutter kamen vor Rührung und Scham über ihre Zweifel die Tränen.
Wie war das möglich? Papas Cousine lebte mit ihrer Familie in einer Stadt, die etwa zwanzig Kilometer von uns entfernt war. Als sie tagsüber auf dem Heimweg von der Arbeit war, ging sie an einem Geschäft vorbei, in dem es tatsächlich künstliche Tannenbäume zu kaufen gab. Sie kaufte unter anderem einen für uns. Zu Hause fragte ihr Mann ganz überrascht, wieso sie denn einen für uns gekauft hätte, schließlich konnte sie ja nicht wissen, ob wir bereits einen Tannenbaum hatten oder nicht. Da es damals keine Telefone gab, wäre die einzige Möglichkeit, um das herauszufinden, ins Auto zu steigen und zu uns zu fahren. Das wollten sie am nächsten Tag tun.
Als sich die beiden schon bettfertig machten, hatte die Frau keine Ruhe. Eindringlich bat sie ihren Mann, uns das Weihnachtsbäumchen noch am selben Abend zu bringen. Er wunderte sich darüber, appellierte an ihre Vernunft und gab schließlich nach. Auf das Risiko hin, dass wir schon einen Tannenbaum hatten, stiegen sie ins Auto (hier muss man sich ein russisches Auto vor über 30 Jahren vorstellen!) und fuhren die Strecke von zwanzig Kilometern auf größtenteils unbefestigten Straßen. So kam der Weihnachtsbaum noch am Tag unseres Gebets bei uns an!
Obwohl die beiden „Freudenbringer“ es nicht ahnten, hat Jesus sie dazu benutzt, unseren kindlichen Glauben zu stärken.
Übrigens, mein Papa hat eine große Verwandtschaft und diese Cousine war zum damaligen Zeitpunkt nicht gläubig. Dass sie ausgerechnet uns „ausgesucht“ hat, ist für mich definitiv kein Zufall!
P.S. Kurioserweise schenkt die Firma, in der mein Mann seit vielen Jahren arbeitet, jedes Jahr jedem ihrer Mitarbeiter einen Weihnachtsbaum. So bekomme ich also bis heute jedes Jahr einen Weihnachtsbaum geschenkt. Danke, Jesus 🙂 !
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