Vor fast 40 Jahren habe ich sie bekommen …
… und genau so lange habe ich mit ihr gerungen: Einerseits umgarnte ich sie und hoffte auf ihre Gnade, andererseits verwünschte ich sie innerlich, weil sie mich in den Wahnsinn trieb. Durch ihre störrische Art stachelte sie meine cholerische Seite immer wieder an, lehrte mich aber gleichzeitig Geduld.
Beinahe hätte ich sie zum alten Eisen geworfen, als mir eine Neue angeboten wurde: Deren Leichtigkeit imponierte mir. Sie versprach, dass alles nun unkomplizierter und wie am Schnürchen klappen würde.
So startete ich voller Hoffnung einen Versuch – der sich zur wahren Versuchung meiner hart errungenen Geduld entpuppte: Die Neue war weder hilfreicher noch weniger stur. Da blieb ich doch lieber meiner Alten treu, denn sie war all die Jahre bei mir geblieben und hatte stets bewiesen: Mit ihr klappt es zwar nicht optimal, aber immerhin beständig. Ach, meine gute, alte Nähmaschine …
Einen Tag nach dieser letzten missglückten Handarbeit unterhielt ich mich mit unserer Tochter über den Versuch, ein paar Kissen zu schneidern.
Bloß zwei Fragen stellte sie mir: Hattest du die passende Nadel genommen? Und hattest du die entsprechende Stichart gewählt? Bei Jersey …
Oh, da habe ich wohl verwechselt, wer stur ist: Nicht die Nähmaschine, sondern ich war starrsinnig! Obwohl es offensichtlich war, dass es nicht klappte, habe ich es fortwährend auf dieselbe Weise versucht. Sinnlos immer wieder neu probiert, quasi mit dem Kopf durch die Wand! Heraus kamen nur Frust und ein zweitklassiges Ergebnis.
Für echte Nähprofis mag mein Verhalten unverständlich sein, da sie sofort gewusst hätten, was angesagt ist. Aber meine Fähigkeiten liegen eher im Reparieren einer Nähmaschine als im Benutzen derselben.
Ich habe mich gefragt, ob ich nur beim Nähen so dickköpfig bin?
Hole ich mir nur in dieser Disziplin innere Blessuren, weil ich es partout auf meine Art machen will? Ich fürchte: Nein! Situationen, in denen etwas nicht so funktioniert, wie ich es gerne hätte, machen mich kribbelig. Am liebsten hätte ich sie schon gestern erledigt und geklärt. Und nach wie vor würde ich stets mit dem Kopf zuerst durch die Wand rennen, hätte ich nicht doch ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt: Bete erst einmal – und dann sieh, wie Gott die Bahn ebnet.
Genau an diesem Punkt erlebe ich die meisten Wunder. Fast immer, wenn ich ohnmächtig vor einer Situation stehe, meine Machtlosigkeit Gott gegenüber eingestehe und um seine Hilfe bitte, greift er ein. Wie oft bin ich erstaunt, weil sich plötzlich und auf wunderbare Art der Knoten löst.
Auf diese Weise …
… hat der Pflegesohn einer befreundeten Familie einen Kindergartenplatz bekommen, obwohl es keinen mehr gab.
…. wurde unsere Tochter damals eingeschult, obgleich ihr die Schulärztin wegen mangelnder Zentimeter ein ‚o. k.‘ nicht geben wollte (warum bloß tat sie es doch?).
… bekamen wir bei allen Umzügen eine Wohnung, wie wir sie nicht besser hätten finden können.
… löste sich der Streitfall zwischen zwei Bekannten wie eine Seifenblase in Luft auf.
… besserte sich die Legasthenie eines Nachhilfeschülers schlagartig.
… und, und, und …
Inzwischen frage ich mich in entsprechenden Situationen: „Habe ich die Macht, selber etwas zu tun?“ Lautet die Antwort: „Nicht wirklich …“, dann lege ich den Fall zu Gottes Akten mit dem Vermerk: „Ich kann’s nicht!“ Und sogar wenn ich etwas ausrichten kann, bete ich erst einmal. Anschließend gehe ich die Sache an oder schaue gelassen zu, wie Gott die Angelegenheit löst.
Nur bei der Nähmaschine, da reagiere ich noch recht kindisch und hole mir keine Hilfe, sondern versuche trotzig, meinen Willen durchzusetzen. Aber vielleicht lerne ich auch hier eines Tages, dass ich mir und meiner Umwelt diesen Stress ersparen kann.
luisaseider meint
Liebe Eleonore,
du schreibst mir aus der Seele. Ich hätte meine Nähmaschine, die ich nach langer Zeit mal wieder in Betrieb genommen habe, letzte Woche auch am liebsten aus dem Fenster geschmissen. Glücklicherweise war meine Schwägerin zum Frühstück da und gab mir ebenfalls den Rat, nach der Nadel zu schauen. Jetzt bin ich zuversichtlich, dass das Projekt Kinderzimmer-Gardine und -Kissen doch noch ein glückliches Ende findet…
Und das mit der Machtlosigkeit… das letzte Mal, als ich mir das vor Gott eingestehen musste, war heute Morgen… Dein Artikel macht mir Mut
noorje meint
Liebe Luisa, ich möchte nicht wissen, wie viele Nähmaschinen schon auf dem Bürgersteig oder in den Vorgärten lägen, wenn wir uns nicht beherrschen könnten 🙂
Danke für deine Zeilen – ich wünsche dir alles Gute!