19:30 Uhr Da liegt sie, meine völlig erschöpfte müde Tochter in ihrem Bett. Die Augen beginnen schon zu rollen. Und was waren ihre letzten Worte? Mit dünner Stimme, kaum mehr verständlich behauptete sie doch tatsächlich: „Ich bin nicht müde.“ Ja mein Kind, dachte ich nur lächelnd, doch dein Körper hat entschieden. Leise schleiche ich mich aus dem Zimmer und werde vermutlich die nächsten 11 Stunden keinen Ton mehr von ihr hören.
Wie ähnlich wir uns doch sind. Den ganzen Tag hat sie gepowert. Erst im Kindergarten gewesen, dann den Mittagsschlaf verweigert, auf dem Spielplatz rumgerast und mit zunehmender Müdigkeit ein immer dünner werdendes Nervenkostüm an den Tag gelegt. Selbst die Mittagspause einzuhalten viel ihr heute schwer. Voller Kreativität, kribbelig, fröhlich und aufgedreht. Die erfahrene Mutter weiß, dass es ein Seiltanz wird, die Abendstunden elegant ohne größere Dramen zu geleiten.
Wie ich da an ihrem Bett sitze, fällt mir auf, dass ich die letzten Monate genauso drauf war.
Ich habe viel gepowert, und zwar über den alltäglichen Wahnsinn hinaus. Alles freiwillig und fröhlich. Ein paar Hochzeiten, Musikauftritte, Geburtstage. Höhepunkte. Vielleicht ein bisschen viele. Hinzu kamen tausend wichtige Gedanken und Fragen über die aktuelle gesellschaftliche und politische Lage, persönliches Engagement und Verantwortung in (rückblickend) zu vielen Bereichen. Denn trotz Euphorie über die Highlights bemerkte ich, dass mein Nervenkostüm bei Konflikten mit den Kindern viel schneller zusammenbrach als sonst. Ich wurde schneller laut. Drohte mit hilflosen dämlichen Konsequenzen und habs einfach öfter verkackt anstatt gemeistert.
Als die letzten beiden Hochzeiten, die beide an einem Wochenende stattfanden, vorüber waren, beschwerte sich dann nicht nur mein Nervenkostüm, sondern auch mein Körper. Stimmt, den gibt’s ja auch noch. Hatte ihn immer vertröstet mit Schoki. Aber jetzt war er beleidigt für so wenig Aufmerksamkeit und meldete sich die nächsten drei Wochen krank. Freundlicherweise stellte er mir aber noch die Hälfte seiner Kraft zur Verfügung.
Puh… und ihr wisst was passiert, wenn Mamas krank sind. Und ihr wisst auch, dass keine Krankmeldung des besten Arztes hier helfen kann. Es geht einfach weiter. Nunja, fast. Habe nach und nach brav alle Extras gestrichen und jeden Abend unkonstruktiv liegend mit Flimmerbild verbracht. Tags so viel Ruhe und Schlaf ergaunert wie nur möglich und die Schonfrist meines Mannes bei Heimkehr gestrichen. Aber die Reserven waren aufgebraucht. Ich war erschöpft. Ich fühlte mich desorientiert in all meinen Lebensangelegenheit.
Ich musste raus.
„Ich brauch ne Rauszeit. Zwei Tage?“ Nach anfänglichem Erschrecken, willigte mein Mann verständnisvoll in den Plan ein und schlug sogar drei Tage vor. Ich fand die perfekte Bleibe in einem alten modernisierten Kloster im Odenwald. Ein herrlicher Ort für eine Rauszeit. Ich hab mich wunderbar gehen lassen. Geschlafen, gut gegessen, Natur, Sonne und Lobpreis satt. Ich habe Jesus bei mir gespürt. Alles so unangestrengt. Einfach sein. Lieben lassen. Zur Ruhe kommen.
Mit Freude und überströmender Dankbarkeit fuhr ich nach zwei Tage wieder nach Hause.
Habe meinen Alltag wieder aufgenommen. Noch ohne Extras. So ruhig wie möglich. Und ich merke wie sich mein Körper erholt und mein Nervenkostüm auch wieder belastbar geworden ist. Wie dumm ich manchmal bin. Ob Gott wohl mal den Kopf geschüttelt hat über meine engagierte Rennerei und mein „Ich bin nicht müde“?
Nunja, klar ist, so eine ausgedehnte Rauszeit plan ich mir jetzt regelmäßig ein, um Kurs zu halten.
Und ich bin mir sicher, meine schlafende Tochter wird morgen auch mit neuer Kraft und Freude in den Tag starten.
Antschana meint
ach liebe Johanna! Ich musste die letzten Wochen auch einige Gänge runterschalten und das fällt mir echt schwer. Nicht das ‚Faulsein‘, das kann ich gut 😉 Aber nicht so können, wie ich will; das finde ich schrecklich! Und ich hab gemerkt, dass mein größtes Problem damit ist, dass ich mich selber dann nicht leiden kann. Ich finde mich doof dafür, dass ich nicht fit bin und alles schaffe, was ich eigentlich will. Schwach sein – das hasse ich! Und wenn ich schwach bin, dann hasse ich mich selbst dafür…
Doof, ich weiß. Jesus liebt mich in meiner Schwachheit und ich sollte das auch. Ich bete, dass ich das schnell lerne… Dann kann ich ja wieder stark sein, oder?! 😉
Johanna meint
O Antschana 😉 you make me smile.kann dich gut verstehen. Lass uns doch mal zusammen faul sein und alles in Ruhe besprechen 😉