Nach einer Krankheit hatte meine Tochter ein extrem erhöhtes Schlafbedürfnis. Zunächst sah ich die Ursache dafür natürlich in der vorangegangenen Krankheit, doch als sie auch nach einigen Tagen nachts 14 Stunden schlief und mittags wieder zwei bis drei Stunden, obwohl sie sonst keinen Mittagsschlaf mehr machte, bekam ich eine leichte Hysterie. Was ist, wenn sie nicht nur einen Entwicklungsschub machte, sondern…… sterbenskrank ist……
Ich wusste, dass meine Gedanken irrational waren, dennoch kreisten sie in meinem Kopf herum wie lästige Fliegen und ich konnte sie nicht verjagen. Mir liefen Tränen die Wangen herunter (besser gesagt: ich heulte wie ein Schlosshund). Ich stellte mir vor wie ich die Hiobsbotschaft sämtlichen Familienmitgliedern und Bekannten überbrachte, sah im Geiste schon die Trauerfeier und stellte mir mich als starke, geisterfüllte, christliche Mutter vor, die eine hoffnungsvolle Rede schwingt, Menschen zum Nachdenken über die Ewigkeit bringt, ein selbstgeschriebenes Abschiedslied singt für die Tochter, die sie nun bereitwillig in die Arme Jesu übergibt, ………..und am Ende ….. zusammenbricht.
Ich muss gestehen (auch wenn es mir wirklich peinlich ist), dieses Kopf-Kino verfolgte mich einige Stunden – ich glaube es waren genau 72!
In meiner Fantasie überlegte ich, wie ich die letzten Monate, die mir mit meinem geliebten Kind verbleiben würden, gestalten würde. Sofort fiel mit ein, dass ich ihr umgehend den Nachtisch zubereiten würde, um den sie mich nun schon seit einigen Tagen bat (oder waren es tatsächlich schon drei Wochen???). Außerdem würde ich jede Menge Fotos schießen und sie auch TATSÄCHLICH sortieren und in Alben kleben. Und wir würden sofort den längst überfälligen Familienurlaub buchen…
Leider weiß ich, dass das, was für mich harmloses Kopf-Kino war, für manch eine Mama unglaublich bittere Realität ist!
Und doch, dieses 3-tägige Kopf-Kino hatte seine Wirkung bei mir nicht verfehlt. Ich kaufte alle Zutaten für den Nachtisch, den meine Tochter so gerne isst und kümmerte mich umgehend um den Familienurlaub. (Die Fotos müssen wohl noch bis zum nächsten Kopf-Kino warten…) Ich erledigte meinen Haushalt mit dem Aufwand, der ihm zusteht, aber auf keinen Fall mit mehr, und verbrachte die gewonnene Zeit mit meinen zwei Schätzen.
Ach ja: Diese Begebenheit liegt schon über ein Jahr zurück. Und auch der Text ist schon ungefähr genauso alt.
Aber erst vor einigen Wochen habe ich es wieder besucht – das „Kopf-Kino“. Ein seltsamer Dauer-Schwindel hatte mich mehrere Tage im Griff. Diesmal drehte sich der Spieß um: Was, wenn ICH nicht mehr erleben darf, wie meine Kinder groß werden? Auch das gibt es leider!
Wieder kullerten mir Tränen die Wangen herunter. Und auch dieses Mal kümmerte ich mich als Erstes um den Urlaub (die Fotos haben es immer noch nicht geschafft….).
Verrückt, wie einem das Gehirn manchmal zusetzen kann.
Aber wie oft ist mir eigentlich im Alltag bewusst, wie gut es uns geht?
Warum lässt Gott zu, dass es mir und meiner Familie so gut geht?
Wie viele Chancen verpasse ich, weil ich genau das nicht kapiere?
familienlebenmitgott meint
Oh, das kenne ich nur zu gut. Ich gerate ganz schnell in negative Gedankenspiralen… Allerdings frage ich mich, ob das nicht Anfechtungen sind… Du hast so recht, es gibt jeden Tag so viel Grund zu danken. Obwohl oder gerade weil das Schlimme auch so real ist und manchmal so nah kommt, dass es weh tut. Liebe Grüße, Martha
luisaseider meint
Ich denke, ob es Anfechtungen sind oder vielleicht doch ein Reden Gottes hängt von den Auswirkungen ab. Führt es dazu, dass ich bewusster, dankbarer, zufriedener lebe oder ist das Gegenteil der Fall?
Lg
familienlebenmitgott meint
Da ist was dran 🙂 Bei mir führt Kopf-Kino eher zu übertriebenen Ängsten… Mir hilft dann, mich an Gottes Wort festzuhalten und es mir zuzusprechen. Zumindest manchmal 🙂