Als ich das erste Mal von Antschana hörte, von welchem Thema die nächsten Blogbeiträge handeln sollten, dachte ich als Erstes: „Es geht um die Liebe- wie schön!!!“ Der Romantikerin in mir wurde schon ganz warm ums Herz und in meiner Fantasie sah ich rote Rosenblüten vom Himmel regnen.
Dann kam noch eine weitere Email hinterher, und beim Lesen musste ich erst einmal schlucken.
„Die Liebe ist nicht neid isch“, stand da. Darum sollte es also gehen. Oh ha!
Aus meiner rosaroten Liebeswolke war plötzlich eine harte Nuss geworden.
Denn der Neid ist kein leichtes Thema für mich und erst recht kein Romantisches.
Damit Ihr mir das glaubt, hier ein paar Einblicke in die neidischen Untiefen meiner Seele:
- Ich bin 10 Jahre alt. Da ist dieses pinkfarbene Fahrrad mit dem cremeweißen Sattel. Meine Freundin Silvie hat so eins bekommen. Und ich weiß mit großer Bestimmtheit: Könnte ich nur mein langweilig-silbernes Dreigangrad gegen ihres eintauschen- dann, ja dann wäre ich für immer glücklich…
- Zeitsprung: Jetzt bin ich Anfang 30. Aus unserem Bekanntenkreis wird ein Paar nach dem anderen schwanger. Während alle anderen jungen Frauen um mich herum in Vorfreude aufs Babyglück schwelgen, will sich bei meinem Mann und mir kein Nachwuchs einstellen. Ich sollte mich mit meinen Freundinnen mitfreuen. Stattdessen bin ich -ja was wohl? – neidisch.
- Heute, drei wundervolle Kinder später: Nicht nur mein sehnlicher Kinderwunsch hat sich erfüllt. Auch ein anderer Traum wurde wahr, denn seit letztem Sommer haben wir Chewie, einen echten Bilderbuch-Collie. Er macht die Familie tierisch komplett. Dann ist doch jetzt alles perfekt, oder?
Wenn da nur nicht wieder diese hässlichen Gedanken wären: Der Hund von Claudia gehorcht viel besser als meiner. Ihr Collie kann schon lauter Kunststücke und ist auch noch nie weggelaufen. Warum hat sie die Hundeerziehung perfekt drauf, während mein Hund und ich mühsam hinterher hecheln?!?
Und dann dieser Vers:
Die Liebe eifert nicht.
1. Korinther 13, 4
Oder, anders übersetzt: Love does not want what it does not have.
Bäm. Voll erwischt.
Ich würde gerne von mir sagen können, dass ich großzügig veranlagt und gut im „Gönnen-Können“ bin.
Aber das stimmt nicht. Das Neidisch-Sein ist wirklich eine Versuchung für mich, wahrscheinlich auch aufgrund meiner Familiengeschichte.
Um von diesem Gefühl nicht beherrscht zu werden, musste ich mir also eine Strategie zurechtlegen.
Dabei hat mir die Erkenntnis geholfen, dass der Neid oft nur das unschöne Gesicht einer Sehnsucht ist, die im Verborgenen in mir schlummert.
Und eine Sehnsucht ist ja an sich überhaupt nichts Schlechtes! Im Gegenteil:
Wo der Neid die Liebe – und im äußersten Falle auch das Leben- tötet, kann die Sehnsucht lebendig machen, wenn sie auf gute Art und Weise gestillt wird.
Also probiere ich seither, ihm erst einmal unaufgeregt und möglichst sachlich zu begegnen. Ich stelle ihm -also eigentlich natürlich mir selbst- einige Fragen:
Was genau vermisse ich, wenn der Neid in mir aufschreit?
- Bin ich vielleicht traurig, weil ich mir eine bestimmte Sache nicht leisten kann?
Wenn ja- für was stehet diese Sache? Status? Erfolg? Schönheit? - Bin ich neidisch auf den großen Freundeskreis, den andere haben?
Wenn ja, suche ich im tiefsten Inneren vielleicht nach Gemeinschaft, Verbundenheit? - Gibt es ein unentdecktes Potenzial, das in mir schlummert und das entfaltet werden will?
Bin ich deshalb auf andere Menschen neidisch, weil ich bei ihnen diese Gabe schon in voller Blüte sehe? - Hadere ich noch mit Teilen meiner Lebensgeschichte oder meiner Persönlichkeit?
Wäre ich lieber größer oder kleiner, lauter oder leiser, vielseitiger, schlauer, sportlicher als ich es bin? Hätte ich mir eine andere Familie, nettere Eltern, bessere Startbedingungen gewünscht?
Was wäre dann anders?
Und was kann ich für Schritte unternehmen, die mich der Erfüllung meiner Wünsche näherbringen, selbst wenn diese im Moment unerreichbar scheinen?
Das Schöne an diesen Fragerunden finde ich: Der Neid wird dabei weder unterdrückt noch verleugnet. Stattdessen versuche ich, herauszufinden, was meine Seele braucht, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Dann gehe ich zu Jesus.
Ich schütte ihm mein Herz aus. Ich erzähle ihm von meinem Mangel und bitte ihn darum, die Lücke zu füllen, die gerade schmerzt.
Meistens hätte ich schon viele 1A- Lösungsvorschläge parat, wie meine Bedürfnisse schlagartig gestillt werden könnten.
Aber leider muss ich die zusammen mit meinem Neid loslassen.
Und dann warten.
Am besten mit kindlicher, vertrauensvoller Haltung:
Ich bin zur Ruhe gekommen, mein Herz ist zufrieden und still.
Psalm 131, 2
Wie ein kleines Kind in den Armen seiner Mutter, so ruhig und geborgen bin ich bei dir!
Wenn ich bei diesem Gebet angekommen bin, dann hat der Neid meistens schon keine große Kraft mehr. Dann spüre ich, dass ich in Gottes Gegenwart nicht übersehen und zu kurz kommen werde. Und dass mein Mangel nicht das letzte Wort hat.
Frei genug, um auch andere zu lieben und ihnen zu gönnen, was ich nicht habe.
Ein pinkfarbenes Fahrrad vielleicht. Den Traumjob. Das wunderschöne Haus. Oder den superbraven Hund.
Übungsfelder gibt es reichlich, bestimmt für ein ganzes Leben.
Und ich möchte es von Herzen:
Gönnen können!
Annabel meint
Danke für die wunderbaren Gedanken. Ich kann einigen Anstöße für mich mitnehmen 🙂
5heringe meint
Das freut mich, Annabel <3 ! Gottes Segen für Dich!
Johanna meint
Neid ist das unschöne Gesicht einer Sehnsucht, das bringt es echt auf den Punkt. Danke für den tollen Text!
5heringe meint
Liebe Johanna, als ich von diesen Zusammenhang das erste Mal gehört habe (ich weiß nicht mehr wo und wann), war das auch ein richtiger Aha-Moment für mich- und eine Erleichterung!
Sei ganz lieb gegrüßt und habe einen schönen Tag! Barbara