Das Aufsuchen der Gästetoilette bei meiner Freundin ist stets ein besonderes Event, fast wie ein Museumsbesuch: Wie ihre Toilette stelle ich mir die stillen Örtlichkeiten bei der Queen vor. Das gold-beige Raffrollo und der Bürstenbehälter aus wertvoller Keramik weisen Stil auf, ebenso die Gold farbenen Wasserhähne. Auf ihnen sitzt jeweils ein antiker Porzellan-Knauf, auf dem »cold« oder »warm« steht. Bei jedem Aufenthalt schaue ich mir den vornehm dekorierten Raum staunend an: Selbst der WC-Deckel beinhaltet ein bekanntes Gemälde mit dem Motiv griechischer Göttinnen.
Noch ganz in meiner Bewunderung versunken, entnehme ich letzte Woche dem Seifenspender eine Ladung wohlriechender Flüssigkeit und drehe den Wasserhahn auf. Ich drehe hin, ich drehe her: Kein Tropfen lässt sich blicken. Schließlich gehe ich zu meiner Freundin und beichte ihr meine Unfähigkeit, mir die Hände zu waschen. Erst verweist sie mich an die Alternative in der Küche, dann marschieren wir beide zum Ort des Geschehens. Aber auch sie bekommt keinen Tropfen heraus.
Wie sich herausstellte, war vor ein paar Tagen ein Heizungsmonteur bei ihr gewesen; er wird wohl im Keller an den Leitungen manipuliert haben. Und da meine Freundin selbst die Gästetoilette nicht benutzt, hat sie es nicht gemerkt.
Mir drängte sich die Frage auf, ob mir das in meinem Leben genauso passieren kann? Nein, unsere Zuleitungen zum Waschbecken sind alle angeschlossen und geöffnet – ich denke da eher an meine Leitung zu Gott als der Quelle des Lebens. Würde ich merken, wenn sie blockiert ist? Oder gehe ich schon seit längerem an andere Zuflüsse?
Aus welcher Quelle schöpfe ich Sicherheit? Welche prägt meine Sichtweisen? Welche schenkt mir inneren Frieden? Wohin laufe ich, wenn Frust meine Seele bedrängt?
Wir dürfen bestimmt alltägliche Hilfen, die Gott uns zur Verfügung stellt, in Anspruch nehmen. Das kann zur Entspannung eine harmlose Soap sein genauso wie ein heißes Bad. Das kann zur Frustminderung Jogging sein ebenso wie eine Joghurette. Alles das spendiert uns Gott zum Genießen und Erholen.
Doch meine eigentliche Quelle muss mehr sein, falls meine Seele nicht verdursten soll.
Vor etwa 3 ½ Jahrzehnten haben mich Bibelstellen wie die aus Sprüche 31,30 sehr beeindruckt: »Anmut und Schönheit sind vergänglich und kein Grund, eine Frau zu rühmen; aber wenn sie den Herrn ernst nimmt, dann verdient sie Lob.«
Damals habe ich mir vorgenommen, möglichst jeden Tag eine gewisse Zeit im Gespräch mit Gott allein zu verbringen: Sein Wort zu lesen, zu überdenken und mit ihm zu reden.
Je nach Lebenssituation kam eine andere Tageszeit bei mir zum Zuge. Ich weiß von etlichen Personen, die ebenso Jahr für Jahr ihre Beziehung zu Gott aufgebaut und gepflegt haben. Einer von ihnen sagte in hohem Alter: »Jesus ist die Liebe meines Lebens!« Und das war nicht deshalb, weil er alleinstehend war und keinen Menschen um sich hatte – nein, Ernst Wilhelm war glücklich mit seiner Ruth verheiratet.
Als junge Frau habe ich mich manchmal richtig aufraffen müssen, um Gottes Wort zu lesen und mit Gott zu reden. Aber es hat sich gelohnt. Inzwischen ist mir mein »Date« mit Jesus die kostbarste Zeit am Tag: Ich zapfe mir einen Espresso und mache es mir auf meinem Sessel bequem. Und wenn ich dann den ersten Schluck genommen habe, spreche ich mit Gott über das, was mich beschäftigt. Er wiederum weist mich auf seine Themen hin, wenn ich die Bibel lese. Wir reden zusammen über all diese Gedanken, es geht hin und her. Er fragt mich einiges, ich frage ihn anderes. Meistens verstreicht die Zeit viel zu schnell.
Wenn es in meinem Alltag hoch hergeht, dann laufe ich zu meiner Quelle. Und ich weiß, dass das Wasser fließt, weil ich den Wasserhahn täglich benutze.
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