Darf ich vorstellen: Ich bin Ottilie Normalverbraucher. Ich bin nichts Besonderes. Und es
gibt sehr viele von mir. Außerdem: Das ist jetzt kein »fishing for compliments«! Es ist einfach
so – und es ist gut so.
Manch einer sieht in mir etwas Außerordentliches. Das lasse ich mir gerne gefallen,
denn für meinen Mann bin ich »die« Frau, für meine Nachkommen »die« Mutter oder
Oma. Das möchte ich auch sein. Doch diverse andere Menschen kennen nur meine
Schokoladenseite – und die kann zu einem Problem werden: Nicht nur, weil ich Nugat
liebe, sondern weil man mich zu hoch einschätzt. Wer kennt wirklich mein
Leben oder weiß, wer ich tatsächlich bin? Woher ich komme, welche Hürden meinen
Weg erschwerten und welche Äste ich mir selbst zwischen die Füße warf?
Schon als Baby war ich mit einer pummeligen Figur gesegnet. Meine Schwester war von Anfang an schlank und sportlich. Mir wurden ein paar Pfunde mehr wie einige Zentimeter weniger in die Wiege gelegt – und eine große Portion Gemütlichkeit. Die Folge: Seit ich in meiner Pubertät den Spiegel entdeckt habe, rang ich mit den Kilos.
In der Schule kämpfte ich mit Sprachen: Anfangs gelang mir die deutsche Rechtschreibung nur bedingt, als Nächstes setzten mir die englische und danach die französische so zu, dass ich einmal das Schuljahr wiederholte.
Was Selbstdisziplin angeht, habe ich heute noch Übungsbedarf. Durch die Geschwisterfolge
bin ich recht verwöhnt worden: Alle Verantwortung trugen meine beiden älteren
Geschwister. Später tat sich mein jüngster Bruder als tatkräftig hervor, sodass auch in
dieser Richtung keine Veranlassung war, auf mich aufmerksam zu machen. Ein »Sandwich-
Kind« kann sehr fröhlich vor sich hinleben!
Mein Vater war durch seine Kriegsbehinderung Hilfsarbeiter. Meine Mutter nähte
unsere Kleidung oft selbst – mit modischem Geschick. Doch diese Gabe hat bei mir eine
Generation übersprungen. Stets bin ich unsicher beim Kauf von Hosen und T-Shirts und
frage inzwischen oft unsere Tochter nach ihrer Meinung.
So könnte ich fortfahren und meine Unvollkommenheiten beschreiben. Aber die sind ja
lediglich meine Übungsfächer. Tatsächlich hat Gott mir eine Menge Begabungen
geschenkt, die ich freilich erst nach und nach entdeckte und trainierte.
Mein bester Coach war und ist dabei mein Mann, der mir öfters einmal Aufgaben zuschusterte und behauptete: »Das schaffst du.« Anfangs fand ich das nicht gerade einfühlsam, da ich mehr Nachsicht gewohnt war. Im Laufe der Jahre jedoch hat sich genau dieses Zutrauen zu mir als eins der größten Geschenke in meinem Leben erwiesen. Allerdings: Dafür kann ich nichts, es ist mir in den Schoß gefallen.
Ich bin nichts Besonderes, und dieses Wissen entlastet mich sehr. Ich muss auch nichts Außergewöhnliches darstellen. Ich darf sein, wer ich bin: von Gott mit Gaben und Grenzen
gestaltet. Ich bin nach wie vor übergewichtig, Leichtathletik liegt mir immer noch
nicht, doch die Rechtschreibung habe ich inzwischen gelernt (zum Glück gibt es ja
obendrein Korrekturprogramme). Meiner Freude am Geschichtenerzählen und -schreiben
kann ich oft nachkommen und unsere Enkel wie andere Kinder damit beglücken.
Gott liebt es, wenn ich mich auf diese Weise sinnvoll für ihn einsetze – und er liebt mich
von ganzem Herzen: Pummelig und begrenzt, wie er mich haben will.
Ach ja: Selbst der große Paulus schrieb von seiner Achillesferse: »… Gerade deshalb nämlich, um zu verhindern, dass ich mir etwas darauf einbilde, hat Gott mir einen »Stachel ins Fleisch« gegeben … damit ich vor Überheblichkeit bewahrt bleibe. … Der Herr hat zu mir gesagt: Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung.« (2. Korinther 12,7-9)
Antschana meint
Liebe Eleonore, ich finde es grade nicht so einfach, mich selber ok zu finden mit meiner Figur nach der Geburt. Aber du hast recht, ich bin geliebt, so wie ich grade bin! Und das ist am Wichtigsten, danke 🙂
Luisa meint
Schöner Text!
Und Glückwunsch zum Buch, liebe Eleonore!