Schon in jungen Jahren hatte ich mir eine persönliche Meinung zum Tabuthema Schwangerschaftsabbruch gemacht.
Aufgrund meines christlichen Glaubens war für mich immer klar, dass ein Mensch vom Tag der Empfängnis an existiert und ein gewolltes und geliebtes Kind Gottes ist.
Auch wollte ich schon von klein auf eine große Familie haben. Nach der Geburt meines ältesten Sohnes musste ich diesen Wunsch jedoch erst einmal aus gesundheitlichen Gründen hinten an stellen.
In dieser Zeit fing ich an, mich intensiv mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche zu beschäftigen und unterstützte die Arbeit von Der Birke in Heidelberg, heute 1000plus.
Unter anderem tauschte ich mich via Internet mit Schwangeren in Konfliktsituationen aus und versuchten sie an einen Berater weiterzuleiten.
Manchmal blieb der Kontakt auch bei mir persönlich und bei einer Frau durfte ich bis zum Ende an Ihrer Entscheidung teilhaben, der Entscheidung FÜR das Kind. Sie war so unendlich glücklich, als sie ihren Sohn in den Arm halten durfte und auch ihr Mann war glücklich darüber eine Abtreibung nicht durchgesetzt zu haben.
Mir ging es mit den Jahren gesundheitlich besser und ich bekam mein Töchterchen. Allerdings ist sie im Alter von sechs Wochen fast im Arm gestorben. Sie hörte auf zu atmen und musste über Monate am Monitor überwacht werden und zwar jedes mal wenn sie schlief. Die Angst sie zu verlieren war unerträglich zumal wir aufgrund diverser Fehlalarme kaum geschlafen haben. Jedes Mal hätte es ja Ernst sein können.
Als sie sechs Monate alt war, wurde ich überraschend schwanger. Nicht dass wir kein weiteres Kind wollten, nein das war es nicht. Aber wir hatten nicht so früh damit gerechnet.
Was ich darauf erlebte, berührt mich heute noch sehr.
„Wir haben eine gute Lösung für Sie“
Schon beim Schwangerschaftstest in der Arztpraxis machte man mich auf die Möglichkeit der Abtreibung aufmerksam. Sind wir doch schon mit einem „ Sorgenkind“ behaftet. Wer will sich da noch mehr Sorgen aufladen. Dass ich mich empört für die Schwangerschaft aussprach, stieß auf sehr viel Unverständnis.
Auch bekam ich aus meinem näheren Umfeld den Rat, ich solle mich sterilisieren lassen und was mein Mann dazu sagt, dass ich nun schon wieder ein Kind bekomme. Ich soll auch an ihn denken. Als wäre er unbeteiligt an dieser Entscheidung und sozusagen ein Opfer meines Egoismus.
Mir begegneten Bekannte und sogar weitestgehend Fremde die meinten es reiche jetzt mal mit dem Kinder zeugen, oder ganz übel „ ob ich denn keinen Fernseher besitzen würde“.
Das ganze wurde ziemlich schnell unerträglich.
Über meine ersten drei Schwangerschaften hat sich jeder gefreut.
Ja, genau drei Schwangerschaften. Zwei Kinder durfte ich im Arm halten und eines in Gottes Hände loslassen. Schon bei dieser Fehlgeburt bekam ich sehr viel Kälte zu spüren, denn ein Leben im Bauch ist in unserer Gesellschaft nichts wert und eine trauernde Mutter soll sich bitte zusammenreißen.
Gott hat mich getröstet, gesegnet und mir erneut Kinder geschenkt.
Umso schlimmer, dass ich damals sogar kurz nach dem positiven Test betete, er soll das Kind unter meinem Herzen lieber zu sich nehmen, wenn es besser für das Baby wäre, als dass ich es nicht lieben könnte. Dabei liebte ich mein Kind schon zu diesem Moment.
Das beschämt mich bis heute sehr und vielleicht ist das auch ein Bereich, für den ich mich immer schuldig fühlen werde.
Einmal lies man mich und meine Kinder nicht auf ein WC in einer Eisdiele mit der Aussage “Soll sie halt nicht ein Kind nach dem anderen bekommen.“ Ich weinte nächtelang darüber.
Zudem bekam ich unheimliche Ängste, da ich zu diesem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen keinerlei familiäre Unterstützung hatte. Aufgrund einer Immunschwäche hatte ich immer wieder starke Infekte und ungefähr einmal im Jahr eine Lungenentzündung.
„Was mache ich in solchen Zeiten mit drei kleinen Kindern?“, war ein zentrales Thema das mich sehr beschäftigte.
„Zum dumm für die perfekte Lösung?“
Am schlimmsten jedoch war ein Besuch bei meiner damaligen Frauenärztin. Gleich zu Beginn der Schwangerschaft überfiel mich eine starke Übelkeit, die mich sehr lähmte. Meine Tochter, ein halbes Jahr alt, und meine Schwester begleiteten mich zur Untersuchung. Meine Frauenärztin die von Anfang an sehr kühl und bissig war, meinte als mir die Tränen kamen lediglich „ Sie haben sich für das Kind entschieden und damit müssen sie nun eben alleine klarkommen. Das Leben ist hart und wird gewiss nicht besser.“
Frei nach dem Motto. „Ich hatte Ihnen eine Lösung aufgezeigt und wenn sie so dumm sind und diese nicht wählen, möchte ich nichts mehr hören.“
Es ist so selbstverständlich ein Kind abzutreiben. Würde man einen Hund einschläfern, da man Angst hat, nicht genug Zeit zum Gassi gehen zu finden oder bei Krankheit Unterstützung, wäre der Aufschrei groß. Aber ein Kind wird als Problemlösung einfach so „weggemacht“ und wer sich dagegen entscheidet ist schlichtweg nicht klar bei Verstand.
So ist wohl leider wirklich der Gedanke vieler und eben auch erwähnter Ärztin.
Frei nach dem Motto
„Das können wir noch gerade biegen und sie sind dumm es nicht zu machen – selbst schuld“
Zum Glück war damals meine Schwester dabei. Sie nahm mich vor der Praxis in den Arm und uns war klar, ich suche mir einen anderen Arzt.
Ab diesem Moment war mir klar, ich kann so momentan keine Frauen mehr beraten. Ja, ich benötigte die Beratung selbst. Nicht in Form von Pro und Contra, sonder in Form von
„Du schaffst das, egal was andere sagen.
Notfalls auch alleine mit deinem Mann und Gott.“
„Diese liebevollen Augen“
Eines Nachts zeigte mir dann Gott ein Bild von meinem Sohn und alles andere änderte sich. Nur wusste ich damals noch nicht, dass es mein Kind in diesem Traum war und dass dieser von Gott kam. Ich sah Augen, die mich beim Sterben begleiteten und diese sahen mich ganz liebevoll an.
Kurz darauf musste ich in Krankenhaus und da kam eine christliche Ärztin zu mir. Heute bin ich überzeugt, dass Gott sie mir gesendet hat. Die Ärztin des Klinikums machte mir Mut, dass ich das Kind lieben könnte und ich solle daran nicht zweifeln. Dann hielt sie inne und sagte „Ja, und wer weiß, vielleicht ist das der Mensch, der sie mal bei Sterben halten wird.“
Mir wurde ganz anders, denn sofort musste ich an den Traum denken. Ich weinte und erzählte ihr von meinem Traum und wir waren beide überwältigt.
Danach wurde ich trotz diverser Schwangerschaftsprobleme endlich ruhiger. Auch half mir meine Hebamme sehr, die Ängste zu überwinden. Mein Mann und sie überzeugten mich immer wieder, dass ich meinen Sohn gewiss lieben würde, sobald er auf der Welt sei. Ja, dass die Angst davor, es nicht zu können, unbegründet sei.
Die Geburt – Diese Augen
Dann kam mein Sohn auf die Welt und ich hatte keinen Zweifel mehr. Vom ersten Moment an durchströmte mich eine tiefe Liebe. Wie konnte ich nur daran zweifeln, dass ich ihn lieben könnte?
Am meisten berührte mich jedoch, dass er die Augen wie in meinem Traum hatte. Könnt ihr Euch das vorstellen?
Im Kreißsaal, meine Hebamme wusste von all dem Bescheid, rief ich nur „Er hat diese Augen, er hat genau so Augen wie in meinem Traum.“ und immer wieder weinend, dass ich ihn liebe. Meine Hebamme weinte vor Freude mit uns.
Auch heute betrachte ich am liebsten seine Augen und sein strahlendes Gesicht. Er ist unser Sonnenschein. Gott macht keine Fehler und wenn auch die Jahre danach gesundheitlich oft hart waren, habe ich gemeinsam mit meinem Mann und vor allem Gott diese Zeiten gemeistert.
Selbst bei mehren erneuten Lungenentzündungen und wirklich schweren Zeiten die auf uns zu kamen war da nie ein “Ach warum habe ich Dich bekommen?“, sondern stets ein „ Danke, dass es Dich gibt!“
Das sage ich meinem Kleinen Sohn auch immer wieder, wenn wir kuscheln oder ich ihn einfach nur beobachte.
„Er ist mein schönstes Überraschungsgeschenk im Leben.
Die Schokolade auf dem Kuchen.“
Dann kichert er immer, denn er liebt Schokolade auf dem Kuchen.
In unserer Generation haben meines Erachtens Kinder immer weniger Raum. Probleme und Sorgen sollen schnell gelöst werden. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum viele an Schwangerschaftsabbrüche denken und diese durchziehen.
Nicht alleine und das nie wieder
Damals hatte ich mehr Glück als viele andere Frauen. Mein Mann, meine Schwester, meine Oma und engere Freunde haben mir Mut zugesprochen.
Gott hat mir durch diese intensive Erfahrung Mut gemacht und ich durfte seine Liebe erfahren. Da draußen gibt es viele Frauen, die diese kostbare Unterstützung nicht erleben durften. Die ihr Kind gerne bekommen möchten, aber an sich zweifeln, den Druck gegen das Kind sowohl von Seiten des Partners und des Umfeldes verspüren.
Ihnen möchte ich Mut machen, dass keine dieser Ablehnungen auch nur annähernd so schwer wiegt wie die Freude, die Euch Euer Kind schenken wird.
Lasst Euch niemals die „Schokolade“ aus Euren Leben rauben.
Denn schon in ein paar Monaten oder Jahren werdet ihr dankbar euer Kind in den Arm nehmen, an seinem Haar schnuppern und voller Stolz darauf zurückblicken, dass ihr die richtige Entscheidung getroffen habt.
Die Entscheidung für das Leben Eures Kindes
Die Autorin möchte zum Schutz der Privatsphäre ihrer Kinder anonym bleiben.
Beratung und praktische Hilfe für Schwangere in Not bietet https://www.1000plus.net/.
Boah, ich habe Tränen in den Augen!
Du bist so eine starke, tapfere Frau! Ich bin echt erschüttert über die Kommentare, die du ertragen und aushalten musstest statt Ermutigung und Mutmachen. Allein sich diesem Druck zu widersetzen und standhaft zu bleiben, ist eine Meisterleistung, die du mit Bravour gemeistert hast.
Gottes Segen für dich und deine Familie!
lg
Völlig hin und weg bin ich von Deinem Traum, den Worten der Ärztin dazu und dann dem lebenden „Beweis“ durch den Anblick Deines Sohnes und seiner Augen! Das macht Gänsehaut und zeigt Gottes liebevolle Größe. Wow. Wie schön, dass Du in den schweren Momenten durchgehalten hast und jetzt diese Liebeserklärung an Dein Kind schreiben kannst. Ich bin sicher, Gott wird Deine Geschichte benutzen, um anderen Frauen zu helfen und vielleicht sogar,um Leben zu retten… Liebe Grüße, Barbara
Dein Beitrag hat mich sehr berührt! Danke dass Du mich an diesen, erst einmal sehr schwierigen Erfahrungen teilhaben lässt. Die sich dann aber mit Gottes Hilfe, seinem einschreiten und Mut-machen ins positive verändert hat. Ja, man fragt sich tatsächlich manchmal, wie kinderunfreundlich unsere Gesellschaft teilweise geworden ist. Und wie viele, sogar Gynäkologen, das Leben, dass da gerade entsteht, nicht schätzen. Ich habe selber ein Sternenkind, und ich fühlte mich damals von einigen Seiten unverstanden und ich wusste auch nicht Bescheid darüber, dass man auch dann die Möglichkeit einer Hebamme hätte. Oder dass man das Kind beisetzen könnte. Ich habe sehr lange gebraucht es zu verarbeiten, 7 Jahre lang, und bin leider nicht mehr schwanger geworden. Aber auch hier hilft einem Gott, wieder das Leben als lebenswert zu betrachten.