Vor einigen Jahren hatte mich eine Freundin eingeladen, mit ihr zusammen ein Wochenende in der Communität Christusbruderschaft in Selbitz zu verbringen. Das kann ich jeder von euch nur empfehlen, denn die wohltuende Ruhe des Klosters steht im krassen Gegensatz zum schnelllebigen und lauten Alltag. Es dauerte fast zwei Tage bis sich der „Lärm“ in meinem Kopf legte und ich mich auf die Ruhe und Gelassenheit des Ordenslebens einlassen konnte.
Geprägt war diese Zeit außer von vielen ruhigen Momenten auch von vielen intensiven Gesprächen. Und in einem solchen Gespräch setzte mir meine Freundin ein Bild in den Kopf, das mich bis heute immer wieder zum Anhalten und Reflektieren bringt (Danke, Beate!).
Wir unterhielten uns darüber, wer Jesus für uns ist. Sie sagte, sie stelle sich ihr Leben wie Ringe oder Kreise vor: der mittlere Kreis – der Mittelpunkt – ist Jesus. Der nächste „Kreis“ ist ihr Ehemann, danach die Kinder (die wir beide damals noch nicht hatten), dann die Menschen, mit denen man durch den Glauben verbunden ist, dann Verwandte, Bekannte, Arbeitskollegen usw. An nächster Stelle kommt der Beruf, und dann kann man nach außen hin immer weiter abstufen, z.B. Freizeitaktivitäten oder Hobbys. Ganz weit außen stehen materielle Dinge. Wenn nun irgendwelche dieser Bereiche vertauscht sind, entsteht ein Ungleichgewicht, so ähnlich wie bei den Kinderpyramiden, bei denen Kleinkinder unterschiedlich große Ringe der Größe nach übereinander anordnen.
Natürlich ist dieses Bild eine Vereinfachung der komplexen Lebenswirklichkeit. Zum Beispiel der Bereich „Gesundheit“. Kann man ihn so einfach irgendwo zwischen den Ringen anordnen? Es kann durchaus wichtiger sein, dass ich mir Zeit freischaufele, um mich um meinen Rücken zu kümmern statt diese Zeit mit meinen Kindern zu verbringen, da ich auf lange Sicht darin eingeschränkt werde, eine gute Mutter oder Ehefrau zu sein, wenn ich unter chronischen Schmerzen leide.
Bei chronischer Unzufriedenheit allerdings ist dieses Bild ein wahres Hilfsmittel. Warum bin ich unzufrieden? Habe ich einem Bereich in meinem Leben vielleicht mehr Bedeutung zugemessen als ihm zusteht? Ein gutes Beispiel dafür sind meine frisch geputzten Fenster letzte Woche. Ärgere ich mich über Finger- oder Kussabdrücke des Jüngsten auf der sauberen Scheibe? Frisch geputzte Fensterscheiben sind sowohl mit als auch ohne Kindern ein recht kurzes und vergängliches „Glück“. Letzte Woche hat mir das Gewitter am nächsten Tag meine Arbeit zunichte gemacht, so dass jeder, der heute mein Haus betritt, sich womöglich fragt, wann denn hier das letzte Mal die Fenster geputzt wurden. Tja, das ist tatsächlich erst wenige Tage her….
Oder noch ein anderes Beispiel, wie mir dieses Bild bei chronischer Unzufriedenheit hilft: Brauche ich einen Vormittag für mich zum Auftanken, um wieder Kraft und Motivation für meine Aufgaben als Mutter oder Verständnis für meinen Mann zu haben? Dann ist es enorm wichtig, dass ich mir diese Zeit nehme und sie für mich sinnvoll gestalte, weil sie einem von den „Lebens-Ringen“ dient, die mir sehr am Herzen liegen. Oder empfinde ich meine Kinder, meinen Haushalts-Alltag als hindernd in der Verwirklichung meiner eigenen Ideen? Stehen mir meine Liebsten im Weg? Dann muss ich ganz klar meine Prioritäten neu ordnen und meine „Selbstverwirklichung“ hinten anstellen.
Für uns Frauen steht hier auch ganz oft die Frage, wie viel Beruf kann ich mit meiner Rolle als Familien-Managerin verbinden? Führt meine berufliche Tätigkeit dazu, dass ich ausgeglichener und genießbarer für meine Liebsten werde, oder überforderter und gereizter? Auch eine Frage, der ich mich stellen musste, und wo mir dieses Bild wirklich bei der Reflexion und Antwortsuche geholfen hat.
Und vor allem: Ist die Hauptsache denn noch die Hauptsache?
Ist Jesus im Mittelpunkt?
Natürlich ist das keine messbare Größe, denn die Beziehung zu Jesus hat Auswirkungen auch auf alle anderen Bereiche und am liebsten mag ich sie in ihrer natürlichsten, alltagstauglichen Form. Aber während ich hier schreibe, wird mir schmerzlich bewusst, wie oft mich meine Kinder mit einem Putzlappen oder Staubsauger in der Hand sehen und wie selten mit der Bibel in der Hand. Meistens versuche ich die Begegnung mit Jesus auf die ruhige Zeit vor dem Aufstehen oder nach dem Zubettgehen der Kinder zu verschieben. Aber ist es nicht wichtig, dass sie sehen, Mama pflegt ihre Beziehung zu Jesus? Wieso kann ich ihnen nicht erklären, dass Mama jetzt einfach kurz Zeit mit Jesus verbringt und sie sich bitte mal eben selbst beschäftigen sollen? Ich glaube, ich habe ein neues Wochenziel für die kommende Woche. Bin mal gespannt, ob das klappt und wie die Kids darauf reagieren. Habt ihr schon Erfahrungen damit gemacht?
Ach ja, nach meinem Wochenende im Kloster (vor fast 10 Jahren) bat ich eine andere Freundin, mir ein Bild zu den „Lebens-Kreisen“ zu malen. Und sie hat es getan (Danke, Claudi!). Vielleicht setzt sich dieses Bild auch in eurem Kopf fest 😉
Hier der Link mit dem Gäste-Programm für 2017 der Ordensgemeinschaft Selbitz. Vielleicht ist ja was für dich dabei…
https://christusbruderschaft.de/de/zu-gast-sein/programm-der-gaestehaeuser.php
Antschana meint
Das mit den Beziehungs-Kreisen finde ich ein sehr gutes und hilfreiches Bild. Ich hatte mir im gleichen Sinn tatsächliche eine Liste gemacht: 1. Gott 2. Ehemann 3. Kinder 4. enge Freunde usw. …
Ich habe mich schon oft mit Freundinnen zum Beten getroffen auch als die Kinder noch klein waren und mittendrin dabei. Aber das Bibellesen mach ich auch lieber, wenn die Kleinsten schlafen und ein bisschen Ruhe ist… 😉 Dafür klappt es prima mit Kindern Lobpreis zu machen!! Das kann ich nur empfehlen. Ich wünsche mir selber auch immer wieder neu zu lernen mit den Kindern gemeinsam unseren Glauben zu leben bzw. sie mitkriegen zu lassen, wie wir das für uns machen.
luisaseider meint
Als Musikerin habe ich mir das mit dem Lobpreis mit Kindern auch ganz romantisch vorgestellt, aber meine Kinder lassen mich nicht singen!!! Die Große hat damit angefangen und der Kleine folgt ihrem Beispiel. Ich darf nur singen, wenn Hauskreis ist …
Antschana meint
Oje, ja Kinder sind doch einzigartig und immer für eine Überraschung gut! Vll spielen sie ja mal ‚Hauskreis‘ mit dir… 😉