Früher dachte ich immer, dass die glücklichen Menschen die sind, die es schaffen, sich irgendwie an leidvollen oder traurigen Ereignissen vorbeizuschummeln.
Ich hatte keine Ahnung wie man das anstellen könnte, aber es schien mir so, als ob manche Menschen eben einfach „Glück“ haben und gegen Krankheit, Misserfolg, schlechte Laune, Regenwetter oder Unfälle immun sind. Ihre Glücksformel kannte ich nicht, aber eines wusste ich ganz genau: Ich wollte auch zu dieser Sorte Mensch gehören!
Was ich im Laufe meines bisherigen Lebens dazugelernt habe, hat nichts mit dieser geheimen Glücksformel zu tun (falls es sie doch gibt und Ihr kennt sie-ich wäre nach wie vor interessiert…!!!!).
Für vieles, was ich erlebt habe, bin ich dankbar. Oft hatte ich auch „Glück“ (oder sagen wir lieber: Oft hat Gott mich beschenkt).
Aber manche Erfahrungen und Erlebnisse hätten meiner Meinung nach nicht unbedingt sein müssen. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich sie mir erspart. Ängste, Enttäuschungen und Entmutigungen waren von mir nicht eingeplant und sind trotzdem Teil meines Lebens geworden.
In den letzten paar Jahren ist ausserdem ein Schmerz dazu gekommen, dem ich mich früher, als ich noch auf meiner Glückswelle reiten wollte, gar nicht hätte stellen können.
Dieser Schmerz hat mit einem meiner Kinder zu tun:
Mein Sohn ist anders als andere Kinder.
Er ist in seinem Verhalten an der Grenze zwischen normal entwickelten und autistischen Kindern und zeigt Merkmale von Kindern, die das Asperger Syndrom haben (eine milde ausgepraegte Form von Autismus).
Das klingt, so wie ich es hier schreibe, wahrscheinlich ziemlich nüchtern und vielleicht sogar relativ harmlos (andere Eltern haben schliesslich Kinder, die so richtig Autismus haben!).
Es fühlt sich aber nicht harmlos an.
Manchmal kommt es mir so vor, als ob gar nicht zu meinem Kind durchdringen kann.Das schmerzt.
Zu erfahren, dass mein Sohn sich schwer dabei tut, gute Freunde zu finden, tut mir manchmal vielleicht sogar mehr weh als ihm selbst.
Zu erleben, dass er mit seinem auffälligen Verhalten aneckt, macht mich traurig und ist mir oft auch unangenehm.
Niemand sieht ihm schliesslich an, dass er dieses Entwicklungsdefizit hat. Mein Mann und ich haben ja selbst erst vor wenigen Monaten herausgefunden, dass das Verhalten unseres Kindes etwas mit Autismus zu tun haben könnte.
Und jetzt?
Ein Teil von mir ist verzweifelt und will den Kopf in den Sand stecken.
Warum unser Kind? Warum mein Sohn, auf den wir so sehnlichst gewartet haben? Wieso lässt Gott zu, dass mein Junge Schwierigkeiten hat, mit anderen zu kommunizieren und mit ihnen in Beziehung zu treten?
Auch wenn diese Fragen immer wieder auftauchen: Es gibt noch eine andere Stimme in mir.
Das ist die Stimme, die mir sagt, dass ich die Hoffnung nicht aufzugeben brauche. Die Stimme, die mir sagt, dass auch die traurigen Kapitel in unserem Leben einen Sinn haben können, wenn wir sie mit Gott zusammen aushalten. Die Stimme, die mir sagt, dass alles gut wird, auch wenn in meinem Leben und im Leben meiner Geliebten (was sich noch schlimmer anfühlt) Ereignisse auftauchen, die nix, aber auch gar nix mit meiner „Glücksformel“ zu tun haben.
Inmitten dieser inneren Kämpfe lerne ich nämlich etwas ganz Neues:
Nicht die Menschen sind glücklich, die es schaffen, Regenwetter, Krankheit, Schmerzen, Behinderung, Versagen, Angst oder Autismus zu vermeiden.
Glücklich sind die Menschen, die im Angesicht von Leid ihre Freude bewahren können.
Die die Widersprüche und Widrigkeiten aushalten, ohne dabei ihren Glauben über Bord zu werfen.
Bei denen die Dankbarkeit die Bitterkeit besiegt.
Das lässt sich sehr schön und flüssig runtertippen.
Es im wirklichen Leben durchzubuchstabieren, ist schwieriger.
Vor kurzem habe ich im Gottesdienst dazu eine gute Anregung gehört:
Am Ende der Predigt hat der Sprecher dazu aufgerufen, dass sich die Zuhörer ein paar Minuten Zeit nehmen sollen, um mit Jesus zu sprechen.
„Sagt ihm alles, was Euch das Herz schwer macht. Lasst Ihn die Bitterkeit aus Eurem Herzen herausspülen. Behaltet Euren Frust und Euren Schmerz nicht für Euch.“
Das war für mich das Stichwort: Die Bitterkeit herausspülen.
Nicht wieder und wieder auf meinem Schmerz herumkauen.
Nicht endlos in der Schleife der Warum-Fragen steckenbleiben.
Nicht auf meine Probleme starren wie das Kaninchen auf die Schlange.
Sondern festhalten. Am Glauben. Am Leben. An der Hoffnung.
An dieser ganz anderen Glücksformel, die über die Bitterkeit siegt.
Seid gesegnet mit viel Glauben und Glück!
Eure Barbara
Gabi Severin meint
Liebe Barbara, danke für Deinen Beitrag! Ich kann das so nur unterstreichen was Du sagst. Auch ich habe früher immer gedacht, dass ein Leben nur „perfekt“ ist, wenn alles „perfekt“ läuft. Ich habe aber lernen dürfen, dass Gott uns ein erfülltes Leben schenken möchte, auch wenn wir Leid erfahren und eben nicht alles perfekt scheint- unser Sohn, das zweite von 4 Kindern, hat Leukämie…Ich kenne auch diese zwei Stimmen in mir- die eine, die hoffnungslos und verzweifelt spricht und die andere- Gottes Stimme- die sagt, hab keine Angst, ich habe alles in der Hand und liebe dich! Es ist wunderschön, wenn es uns gut geht- aber Gott kann auch grenzenlose Freude in schweren Zeiten schenken und das Leben auch gerade dann lebenswert machen, wenn wir auf Ihn vertrauen. Und bei Ihm dürfen wir ehrlich sein- und Ihm all unseren Schmerz und unsere Wut bringen. Er kommt damit zurecht! Ich möchte auch an dieser anderen Glücksformel festhalten…
Barbara Hering meint
Hallo Gabi,
Du hast meine Gedanken nochmal so richtig auf den Punkt getroffen- danke fuer Deine Antwort! Ich wuensche Dir und Deiner Familie, vor allem Deinem Sohn, ganz viel Segen. Und ich wuensche Euch, dass Gott ganz spuerbar und ganz nahe bei Euch ist, wenn Ihr ihn braucht. Wie gut, dass er alles weiss und uns so lieb hat! Liebe Gruesse, Barbara