Aus Aschenputtel wurde eine Prinzessin und das hässliche Entlein verwandelte sich in einen wunderschönen weißen Schwan.
Wer hätte das zu Beginn gedacht? Es war nichts davon zu ahnen.
So eine Metamorphose ist im „wirklichen“ Leben nicht nur für Raupen ein Thema, es gilt auch uns.
Gott der Schöpfer hat sich für jeden von uns etwas ganz Besonderes ausgedacht; keine vermeintliche Ausweglosigkeit oder Lebenslage ist in Beton gegossen.
Diesem Text erging es beispielsweise genauso, zuerst handelte er nur von dem Bäumchen, das sich wandelte, und das keineswegs nur im Lauf der Jahreszeiten.
Was und wer werde ich sein, wenn meine Umwandlung abgeschlossen ist? Er kannte mich schon vor meiner Zeugung und wob mich im Mutterleibe (ich liebe diesen Vers – weben, das geschieht mit Bedacht und Geschick und braucht etwas Zeit).
Ich fand das Bäumchen im ersten Gartenjahr als halb vertrockneten Strunk an einem rudimentären Topfballenrest unter der Hecke, dem Zustand nach näher an der braunen Tonne als auf einem Platz in der Sichtachse des Gartens.
Ich wusste nicht genau, was es ist, aber es war noch Leben drin. Also schnitt ich es oben- wie untenrum in Form (Rückschnitt regt Wachstum an), setzte es mit guter, frischer Erde in einen Kübel, goss und düngte es beizeiten, erklärte ihm, dass ich nur oben Blattwachstum haben wolle und keins am Übergang vom Stämmchen zur Wurzel. Das erklärte ich mehrfach und ich schnitt auch mehrfach seine zierlichen Äste, damit es sich dicht verzweigt.
Schau, wie hübsch es geworden ist:
Im letzten Frühjahr hast du es schon im Maiengrün gesehen, später trug es sein feuriges Herbstkleid. Einige seiner dunkelroten „Äpfel“ sind auch noch dran.
Vielleicht träumt es davon, eines Tages ein Apfelbäumchen zu werden.
Ohne unsere Träume, unser „Vielleicht“ und „Eines Tages“ wären wir fatalistisch (oder müde gekämpft) unter der Hecke vertrocknet, aber trotzdem ist es ein großes Glück, dass der Finder Potenzial an uns gesehen hat, als noch nichts davon zu erkennen war.
Es ist ein großes Glück, so einen Finder zu haben, der uns umsorgt und in Form bringt und uns erklärt, wie er sich die Angelegenheit mit unserer Identität vorgestellt hat.
Das Bäumchen und ich haben viel erreicht, auch wenn es niemals ein Apfelbäumchen werden wird, da es kein Malus Soundsofolia ist, sondern ein Cotoneaster Dingenskirchii.
Aber das muss ihm ja keiner sagen.
Wir müssen auch nicht alles wissen; es reicht, wenn wir unserem Gärtner vertrauen.
freiraumanne meint
Ach Julia, das hast du aber schön geschrieben. So ist es, der Finder sieht mehr in uns und schaut schon voller Vorfreude auf uns (ich stell mir das lächeln von ihm vor und sein Herz voller Liebe und Bedacht)….
Herzliche grüße von Anne