Mitte Juni verbrachten wir eine Woche im Allgäu. Die Fahrt dorthin fing gemütlich an. Jedoch merkten wir natürlich bald, dass wir nicht alleine unterwegs waren. Die Autobahn füllte sich nach und nach mit vollbepackten PKWs und Wohnmobilen, mit LKWs und Motorrädern. Die Baustellen bremsten uns alle aus und manch einer schien die Lektionen seiner Fahrschulzeit über Abstand und Geschwindigkeitsbegrenzung vergessen zu haben. Wir drängten uns einspurig über Brücken, die in die Jahre gekommen sind, und gaben Gas, sobald sich die Fahrbahn wieder erweiterte. Jeder eilte seinem Ziel zu und wir überholten einander Schlag auf Schlag.
Kaum waren wir angekommen, besorgten wir uns die Allgäu-Tirol-Karte, mit der man jeden Tag jede Bergbahn einmal benutzen darf. Wir lieben es nämlich, mit den Seilbahnen an den Hängen hinauf zu gondeln und oben ein bisschen zu wandern oder Kaffee zu trinken.
Unsere Favoritenbahn
beginnt im Tiroler Städtchen Bach. Wenn wir die Kartenkontrolle passiert haben, nehmen wir in der Zweier-Sesselbahn Platz und schließen den Bügel. Anschließend schweben wir 1,65 Kilometer lang über die herrliche Alpenwelt hoch zur Bergstation.
Zunächst verlieren sich alle technischen Geräusche, nur das Stahlseil surrt leise vor sich hin. Ein Bussard stößt seinen spitzen Schrei aus, ein paar Spatzen tschilpen im Gebüsch. Der Wind rauscht durch die Tannenwipfel, sonst ist es still.
Wir lassen Krüppellärchen an steinigen Felsen unter uns und bewundern die Vielfalt der Alpenblumen: Gelb, rot, blau und violett präsentieren sie sich auf dem satten Grün der Bergwiesen. Der Himmel leuchtet azurblau. Und die Luft – sie ist klar und rein. Das Gefühl unbeschreiblicher Freiheit macht unser Glück vollkommen.
Jedes mal erleben wir das Gleiche:
Kaum haben wir den Bodenkontakt verloren, legt sich ein tiefer Frieden auf uns. Hier verliert sich jegliche Hetze. Mit dem Einstieg in die Bahn geben wir quasi unseren eigenen Willen ab: Wir vertrauen uns dem Seil an und sagen ‚ja‘ zu der Richtung, in die wir geführt werden. Niemand treibt uns. Auf das Tempo haben wir keinen Einfluss. Also lehnen wir uns gemütlich zurück. Wir fürchten weder Höhen noch Tiefen, denn wir hängen sicher am Stahlseil. Und jede Diskussion, welcher Weg der Bessere sein könnte, kommt spätestens jetzt zur Ruhe. Wir verfolgen denselben Kurs. Und zum Schluss erreichen wir das Ziel zur festgesetzten Zeit: nicht eher und nicht später als vorgegeben. Tiefer Frieden umhüllt uns.
Viele Gedanken beruhigen sich, während wir so in der Luft schaukeln. Es geht nicht mehr um mich oder meinen Nebenmann. Wichtig ist allein die Verbindung zum Seil und das Vertrauen, dass es uns trägt. Früher hatte ich Angst, so über dem Abgrund zu schweben und nur von einem Drahtseil abhängig zu sein. Inzwischen habe ich die jahrelange Erfahrung gemacht, dass ich sicher oben ankomme und ich genieße die Aussicht und die Stille der Bergwelt.
Diesen tiefen Frieden
habe ich genauso schon in anderen Situationen erlebt, weitab von Urlaub, Sommer und Sonne. Ich erfahre ihn im Alltag, in Anstrengungen und bei meiner Arbeit. Es gibt nur eine Voraussetzung für ihn: Ich muss das Steuer meines Lebens an Gott abgeben. Dann darf ich mich im Vertrauen auf sein Führen innerlich zurücklehnen. So finde ich diese innere Ruhe. Wenn ich – statt mich und meine Wünsche wichtig zu nehmen – den Fokus auf Gott und sein Reich richte, erfüllt mich dieser unbeschreibliche und beruhigende Frieden. Doch sobald ich meinen eigenen Willen zum Maßstab erhebe und mir mein Glück selbst sichern will, befinde ich mich – um im Bild zu bleiben – nicht im Sessellift, sondern auf der Autobahn des Lebens, wo das Recht des Schnelleren und Stärkeren zu herrschen scheint.
Da wähle ich doch lieber die ‚Sesselbahn‘ und überlasse mich Gott. Denn wie dichtete Paul Gerhard? „Der Wolken, Luft und Winden gibt Weg, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann!“
Philipper 4,7: „Der Friede Gottes, der weit über alles Verstehen hinausreicht, wird über euren Gedanken wachen und euch in eurem Innersten bewahren – euch, die ihr mit Jesus Christus verbunden seid.“
luisaseider meint
Sehr schönes Bild und toller Vergleich! Wir fahren diese Woche für ein paar Tage an den Walchensee in den Voralpen. Wenn wir dann im Sessellift den Berg hochfahren, weiß ich schon, woran ich denken werde … 😉
noorje meint
Ich wünsche euch eine schöne Zeit am Walchensee!
luisaseider meint
Danke 🙂
Ni Ci meint
Liebe Eleonore,
vielen Dank für deinen Text. Er bewegt mich sehr. Nachdem ich leidenschaftliche Bible-Art-Journalerin bin, musste ich ihn unbedingt bildlich in meiner Bibel umsetzen. Den von dir angegebenen Vers hatte ich leider schon gestaltet. Aber ich habe „Ersatz“ gefunden. „Ich will dem Herrn vertrauen.“ ist auch eine starke Aussage. Wenn du magst, kannst du dir das Bild gerne auf facebook oder instagram anschauen.
Liebe Grüße,
Nici
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1777614675647474&set=a.1271876119554668.1073741835.100001968755469&type=3&theater
Mein Begleittext:
Vor ein paar Wochen ist mir auf dem Blog #mamaabba der abgedruckte Text von Eleonore begegnet und hat mich sofort angesprochen. Ob beim Skifahren oder als Kind beim Wandern, ich bin nie der „ruhig im Lift sitzen und die Aussicht genießen-Typ“ gewesen. Vielmehr überlege ich während der Fahrt immer, ob man diese Fallhöhe bei einem Absturz wohl überleben kann. Die Erfahrung von tiefem Frieden und innerer Ruhe durch ebenso tiefes Vertrauen ist eine Herausforderung für mich. Vielleicht, weil ich gerne die Kontrolle über alles behalte. Eleonore scheint dieses Urvertrauen auch nicht in den Schoß gefallen zu sein. Vielleicht gelingt es mir ja irgendwann auch. Ich winke euch dann tiefenentspannt aus dem Sessellift.